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Historische Tagespresse als Gegenstand gesellschaftswissenschaftlicher Didaktik

 

Gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen und dem Internationalen Zeitungsmuseum Aachen wurde bereits am Jahresende 2012 eine internationale Fachtagung organisiert, die sich des didaktisch gewinnbringenden Umgangs mit NS-Propaganda im 21. Jahrhundert annahm. Dabei diskutierten renommierte Experten aus der Zeitgeschichtswissenschaft wie Peter Longerich (London), Clemens Zimmermann (Saarbrücken) und Moshe Zimmermann (Jerusalem) mit Didaktikern, Museumspädagogen und Politologen über einen angemessenen Umgang mit Filmmaterial, Zeitungen oder Propagandaschriften. Ergebnis der an der Schnittstelle zwischen Geschichts- und Politikwissenschaft angesiedelten Tagung war aus Sicht aller Referenten, auf ein dezidiertes Verbot von NS-Propagandaprodukten zu verzichten. Sogar Hitlers Hetzschrift „Mein Kampf“ sollte künftig zugänglich gemacht und in der pädagogischen Arbeit genutzt werden, um die Ideologie der Nationalsozialisten an Hand ihrer eigenen Publikationen dekonstruieren zu können. Erste Überlegungen zur wissenschaftlich kommentierten  Edition von „Mein Kampf“ stellte im Rahmen der Tagung Thomas Vordermayer vom Münchner Institut für Zeitgeschichte vor [zum Tagungsbericht].

 

Eng mit der Tagung verbunden ist ein Forschungsfeld, welchem sich die Didaktik der Gesellschaftswissenschaften in Aachen künftig verstärkt widmen will. Es handelt sich um die Relevanz von Tagespresse für das historisch-politische Lernen. Bislang liegen hier, vor allem im Bereich der Geschichtsdidaktik, kaum Arbeiten vor. Aus historischen Zeitungen lassen sich aber, wie ähnlich gelagerte Überlegungen im Bereich der Politikdidaktik bestätigen, vielfältige Potenziale für den Unterricht ableiten. Obschon das Medium Zeitung in der aktuellen Diskussion vor allem als Medium in einer tiefen ökonomischen Krise wahrgenommen wird, stellt es für die Neuzeit einen der wichtigsten gesellschaftlichen Kommunikationsräume dar. Diesen für das historische ebenso wie für das politische Lernen zu erschließen, hat sich der Lehrstuhl in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Zeitungsmuseum vorgenommen. Im Zentrum sollen dabei weniger bekannte Presseorgane stehen, die für den Unterricht zu gewinnen sein können. Zu denken ist hier nicht nur an Printprodukte der Frühphase des Zeitungsdrucks, sondern auch an Zeitungen aus den deutschen Kolonien oder an die Exilpresse. Begleitet von empirischen Erhebungen soll dann überprüft werden, ob mit den Zeitungen aus vergangenen Tagen Kompetenzen des historische Lernens – etwa eine Erschließung globalgeschichtlicher Dimensionen durch die Einbeziehung von Zeitungen aus unterschiedlichen Herkunftsländern –  erworben werden können.

Diese Fragen und Themenbereiche diskutierten Lehrende und Forschende aus den Bereichen Hochschule und Schule auf der Tagung „Zeitungen von gestern für das Lernen für morgen? Historische Tagespresse im Geschichtsunterricht“, die am 9. und 10. Oktober 2014 an der RWTH Aachen stattfand. Die Ergebnisse der Tagung wurden 2016 in einem gleichnamigen Sammelband publiziert.